Tuesday, December 14, 2004

Angela Merkel und die patriotische Leitkultur

Da sich niemand von dem faulen Kompromiß der CDU-CSU zur Gesundheitsprämie leiten läßt, nicht mal irre-, versucht das CDU-Mädchen Merkel mit der Leitkultur zu führen, was man auch als die Probe aufs Exempel bezeichnen kann, wie die Führerin mit der Führungskultur leitet, diesmal offensichtlich irre-. Weder ist die Prämie ein "deutsches" Wort, könnte der Beitrag der anderen lauten, noch wagt es die Führerin, ihren Wunsch nach der (seit dem III. Reich verpönten) Vaterlandsliebe aus dem lateinischen, französischen, englischen Patriotismus zu übersetzen. Deshalb darf es auch niemanden überraschen, daß das frühere FDJ-Mädchen aus der atheistischen DDR ihre "christlichen" Werte entdeckt und zur schau gestellt hat. Die deutschen Werte der Aufklärung Kants im gesamteuropäischen Sinne oder des Humanismus Heideggers läßt das Führerin-Mädchen lieber verschleiert, wo auch sie entdeckt hat, wie leicht ein Kopftuch den Unterschied zwischen Islam und Terror verwischen läßt. Nein, die Muslime müssen sich integrieren (lassen?) oder das Land verlassen, womit die Leiterin meint, daß alle Ausländer die Führungskultur sich aneignen – oder sich ihr unterwerfen – müssen, was natürlich mit der Sprache beginnt, die von den Provinzhäuptlingen unter der CDU-Leiterin erst neulich gesetzlich durch "Reform" verunstaltet wurde. Doch kann man nicht erwarten, daß sie und ihre Parteifürsten deutsche Literatur lesen (Goethe, Schiller, Thomas Mann kennen sie wahrscheinlich noch als Namen aus früheren Schulaufgaben; Enzensberger, Hölderlin, Broch, Heine, Musil, Heym, Brecht usw. sind für sie aber nur Namen, wenn überhaupt, ohne jeden weiteren Bezug.), wo sie jetzt das Grundgesetz als Verfassung und Wert entdeckt haben und lesen müssen, falls einer der Ausländer, von denen sie einen Eid darauf verlangen, sie nach einer Auslegung der Paragraphen zu Menschen- und Bürgerrechten in Hinsicht auf gesellschaftlichen Zusammenhalt oder allgemeine Sicherheit fragen sollte. Doch von der Parteileiterin könnte man verlangen, daß sie zur Verankerung der "deutschen Leitkultur" in diesem Lande ein neues Parteigesetz einbringt, wonach nur Parteien, die samt all ihrer jeweiligen Mitglieder einen Eid auf das Grundgesetz leisten, zugelassen werden dürfen. Einen Eid auf das Grundgesetz, das die Leitkultur des Landes klar und deutlich im Artikel 1 definiert, leiste ich freiwillig und gern, täglich und mit überzeugtem aufgeklärtem Geist. « (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. » Jederzeit bin ich bereit, zusammen mit Führerin Merkel oder auch ohne sie zu schwören, daß ich dieses Grundgesetz und die Werte der humanistischen Aufklärung, die seine Basis sind, meine eigenen Leitprinzipien sind. Darüber hinaus möchte ich sie zu einer Diskussion mit mir über die deutsche und europäische Literatur, Kunst und Kultur herzlich einladen. Ich kenne noch viele andere, die gern mit diskutieren wollen. Meine deutsche Übersetzung eines französischen Stückes von Beaumarchais könnte als Ausgangspunkt fungieren: «Der verrückte Tag». Der Tag dürfte Worthülsen der Leiterin und ihrer Leitkultur mit Inhalt – auf Deutsch – gefüllt bezeugen und zur Entschleierung der abergläubischen Verdunkelungstaktiken, zum aufgeklärten Menschen führen. Auf diesem Feld haben die Deutsche mehr ausländische Unterstützer und Mitstreiter im Lande – wohnhaft – als die CDU-Führerin ahnt. Eine inhaltliche Debatte zu diesem Thema, die eigentlich nur eine Diskussion ohne Gegenseite sein müßte, dürfte ihnen mehr als willkommen sein. Die Staatsbürgerschaft könnte ihnen als Belohnung für ihre Mitwirkung verliehen werden – in einer Abschlußfeier mit gemeinsamem Verfassungseid. Doch ist es aber zu fürchten, daß die Leiterin-Merkel in dieser Frage gar keine Inhalte erlauben will, da sie das Thema nur als leichte und wirkungsvolle Ablenkung von allen Inhalten der politischen Diskussion in Deutschland zum Hauptthema erkoren hat. Jedoch, Frau Merkel, wenn Sie ernsthaft die Schleier von den Köpfen und vor den Augen entfernen wollen, lassen wir uns alle zusammen für die Werte der Aufklärung – mit Inhalt – aussprechen! Oder sind Ihnen Inhalte längst leid?

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