Wednesday, March 1, 2006

A review ... (a rave ...)


WZ-BÜHNE

Ein Traum von einem Dandy: Sebastian Koch als Lord Goring. (Foto: Joseph Gallus Rittenberg)

Oscar Wildes "Ein idealer Gatte" in Bochum: Mit Zerbrechlichkeit wider die Verlogenheit
Superlativen: Armin Holz und Richard Gardner inszenieren Oscar Wildes "Ein idealer Gatte" mit Star-Besetzung.
Bochum. Oscar Wildes Komödie "Bunbury" hat sich zum Dauerbrenner auf deutschen Bühnen entwickelt. Dabei ist ein anderes seiner Stücke in den Schatten geraten, das er fast zeitgleich, ein Jahr vor seiner Verurteilung 1895, geschrieben hat: "Ein idealer Gatte". Eine brillante Verfilmung mit Cate Blanchett und Rupert Everett haben es in Erinnerung gerufen. Dass die Bühne daraus einen Abend der Superlative machen kann, beweist die Bochumer Inszenierung von Armin Holz.
Die Geschichte kreist um Lord und Lady Chiltern, die sich wechselseitig für makellose, ideale Ehegatten halten. Sie lassen nicht den leisesten Zweifel daran aufkommen, dass ihre Partner über jede moralische Anfechtung erhaben sind. So hat der Lord in achtzehn Jahren ein großes Vermögen erworben, ist zu politischen Ehren gelangt und gehört inzwischen zur obersten Schicht der Londoner Gesellschaft.
Das Kartenhaus droht einzustürzen, als Mrs. Cheveley bei ihm vorstellig wird und ihn mit einem Brief erpressen will, mit dem er am Anfang seiner Karriere Insiderwissen über den Bau des Suezkanals für eine hohe Summe verkauft hat. Ein turbulentes Verwirrspiel beginnt.
Das Spannende der Fabel besteht darin, dass Wilde gesellschaftliche Arroganz mit politischen Hintergründen konfrontiert. Korruption, Machtversessenheit, die Rolle des Geldes und des Reichtums wirken so aktuell, als wäre die Komödie heute geschrieben. Aber Wilde beobachtet das Aufeinanderprallen von Selbstillusion und Wirklichkeit noch in der kleinsten seiner Figuren, dass die Dialoge wie ein nie erlöschendes Feuerwerk der Formulierungskunst wirken.
Regisseur Armin Holz hat mit Richard Gardner eine neue Übersetzung angefertigt, die der Vorlage in jeder Nuance gerecht wird. Zumal hat er alle Rollen mit Topkräften besetzt. Markus Boysen lässt die lordschaftlichen Krusten seiner Verdrängung nur langsam aufbrechen. Wie er sich windet, seine politische Integrität wegen einer "Jugendsünde" in Frage zu stellen und wie die Gesellschaft alles tut, um ihren "besten Mann" nicht fallen zu lassen, sondern ihn das Treppchen nach oben ins Ministeramt befördert, ist ein Kabinettstück.
Imogen Kogge steht treu an seiner Seite. Ihre Wandlungsfähigkeit ist beeindruckend. In dem neuen Film "Requiem" noch die strenge, fast fanatische Mutter, glänzt sie hier als eher verhuschte, wunderbar idealversunkene Mustergattin. Ihr Gegenpart der raffinierten Entlarvungsschlange wird von Jeanette Hain vom ersten bis zum letzten Auftritt mit nicht endenden Variationen der Bosheit garniert.
Den Gipfel der Oberhausborniertheit erklimmt Margit Carstensen als Lady Markby jeder Satz eine Schrulligkeit. Mithalten kann da problemlos Hans Diehl als Lord Caversham. Er will seinen missratenen Sohn endlich unter die Haube bringen und zu einem einigermaßen nützlichen Dasein bewegen. Hier kommt Lord Goring als sein Sohn ins Spiel. Sebastian Koch macht aus ihm die Paraderolle eines Dandys, der allen guten Ratschlägen und Weisheiten zu trotzen versteht.
Holz entwickelt eine Wilde-Figur, in der Koch zum Vollblutkomödianten wird. Jenseits der üblichen Schwulenparodie wird Zartheit und Zerbrechlichkeit zum einzigen Mittel, sich der Verlogenheit zu entziehen. Wie er mit den Knien einsackt, den Füßen tänzelt, den Händen fuchtelt und den Augen rollt, ist allein schon die Reise nach Bochum wert. Claude de Demo hält als seine Zukünftige tapfer mit ihm mit und besticht ihrerseits durch völlig abgedrehte Skurrilität.
Armin Holz erarbeitet mit Heike van Bentum und Esther Walz (Kostüme) einen abstrakten und damit zeitlosen Bühnenraum. Durch groteske Übersteigerung, Zeitlupentempo oder jähe Erstarrungen bevölkern auch Nebenfiguren wie Cornelius Schwalm, Josefin Platt und Veronika Nickl eine artifizielle Welt, der man sich nicht entziehen kann.
3 Stunden, 1 Pause, Aufführungen: Montag, 4., 7., 11., 23., 24., 30., 31. März, Karten: 0234 / 33 33 - 55 55
27.02.06Von Torsten Enge
WZ-Bühne

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